Das Kriegstagebuch des Hauptmanns Karl Bänfer

Auszüge aus dem Kriegstagebuch

Die hier wiedergegebenen Zitate sind einer Transkription der Feldpost entnommen, die einer der Enkel Karls angefertigt und zu einem Kriegstagebuch zusammengefasst hat. Während in diesem Kriegstagebuch alle Karten und Briefe des Hauptmanns Bänfer transkribiert sind, werden auf der Website nur einzelne Passagen daraus wiedergegeben. Es handelt sich dabei um jene, die besonders geeignet erschienen, den Kriegsalltag an der Westfront sowie die Meinungen und Ansichten des Hauptmanns eindrucksvoll und umfassend darzustellen. Eigennamen sowie Grammatik- und Rechtschreibfehler wurden unverändert übernommen, um den historischen Kontext und die Lesbarkeit so wenig wie möglich zu verändern.

Einordnung der Quelle

Bei der vorliegenden Quelle handelt es sich um kein klassisches Kriegstagebuch. Wie oben erläutert, machte erst Karls Enkel seine Karten und Briefe zu einem solchen. Im Gegensatz zu Autor:innen anderer Tagebücher schrieb Bänfer daher durchaus in dem Bewusstsein, dass andere seine Gedanken und Erlebnisse lesen würden. Dadurch fühlte er sich möglicherweise weniger frei, intime oder kontroverse Meinungen zu äußern – auch aufgrund (zwischenzeitlich) bestehender Postkontrollen – und wählte stattdessen bewusst Worte, um sein eigenes Handeln zu rechtfertigen oder die Empfänger:innen seiner Briefe und Karten zu beruhigen. Dennoch handelt es sich um eine wertvolle Quelle, da Bänfer fast täglich an seine Frau in der Heimat oder an seine Söhne, die sich als Soldaten ebenfalls im Krieg befanden, schrieb und die Quelle somit einen kontinuierlichen Einblick in die Lebens- und Gedankenwelt des Verfassers bietet.

Für die Interpretation der Quelle ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass Karl Bänfer aufgrund seines Ranges als Hauptmann kein einfacher Soldat war. Im Gegensatz zu diesen war er höhergestellt und genoss Privilegien, die ein einfacher Soldat nicht hatte. Dazu gehört beispielsweise die Unterbringung in komfortableren Unterkünften oder das Reiten auf einem Pferd, wenn sich die Truppe auf Marsch befand.

Als Angebot zur Einordnung und möglichen Interpretation des Beschriebenen finden sich unter den Beiträgen vereinzelt kursiv gesetzte Kommentare der Verantwortlichen dieser Website.

Fotografien im Kriegstagebuch

Kriegstagebuch von Karl Bänfer finden sich eine Reihe von Fotos, die den Hauptmann oder ihm unterstellte Soldaten zeigen. Eine Auswahl dieser Fotos ist hier zu sehen.

Es ist nicht bekannt, ob Bänfer eine eigene Kamera besaß oder wie er auf andere Weise in den Besitz der Fotos gekommen sein könnte.


Die zwischen dem 27. September und 4. Oktober an Hauptmann Bänfer versendeten Briefe kamen mit der Anmerkung „Empfänger auf dem Felde der Ehre gefallen“ zurück.

Noch am Tage seines Todes wurde er von seinen Vorgesetzten – bevor diese Kenntnis über Bänfers Tod erlangten – zur allerhöchsten Kriegsauszeichnung vorgeschlagen.

Der Bataillons-Tambour aus Bänfers Einheit schildert dessen Tod wie folgt: 

Im Abschnitt der 5. Compagnie bei Ltn. Döring brachen etwa 25 bis 30 Franzosen durch, stießen auf den K.T.K. [Kriegs-Transport-Kommando] Hptm. Bänfer und forderten ihn auf, sich gefangen zu geben.

Ich sagte zu Hptm. Bänfer: „Wollen wir uns denn gefangen nehmen lassen?“ Hierauf antwortete er: „I wo!“

Wir brachen mit Hurra aus dem Unterstand hervor, worauf sich die Franzosen in Richtung Grandham entfernten.

Die Verfolgung wurde von uns aufgenommen, um ihnen den Weg zu verlegen. Hauptmann Bänfer war etwa einen Schritt vor mir.

Der zuletzt laufende Franzose – ein Offizier – drehte sich plötzlich blitzschnell um und feuerte aus einer Pistole zwei Schuß auf Hptm. Bänfer ab. Im gleichen Augenblick wurde der französische Offizier von dem schußbereiten Ers. Reservist Schab durch die Brust geschossen.

Hauptmann Bänfer bat mich, ihm die Beine abzubinden. Es war mir klar, daß ihm das Rückenmark durchschossen sei.

Wenige Sekunden später war er tot; mit gefalteten Händen lag er da.

Der französische Offizier lag nur etwa zwei Schritte von ihm entfernt und brannte, da die Leuchtmunition in seiner Brusttasche durch den Schuß zur Entzündung gekommen war. Er war ebenfalls tot.

1914

20.09.1914

Heute ist der erste Sonntag, den wir als solchen seit Kriegsausbruch feiern wollen. Sogar die Kirchenglocken des Dörfleins haben mit meiner Genehmigung geläutet. Es ist ein Bild wie im tiefsten Frieden; sogar die männliche Civilbevölkerung, welche sonst eingesperrt ist, ist von mir zum Kirchenbesuch beurlaubt.

Solche Momente sind Lichtpunkte im rauhen Kriegshandwerk, an die man sich gerne erinnert.

22.09.1914

Die Bevölkerung habe ich geschützt, so lange und so gut ich es konnte, aber meine Landsleute stehen mir jetzt näher als die Franzosen. Vorn liegen unsere Truppen und haben nichts mehr, deshalb wird das Nest jetzt geräumt. Meine einzige Schutztätigkeit für die Bevölkerung besteht jetzt nur noch darin, daß keine unberechtigten Fourriere kommen, sondern nur gehörig legitimiert und daß den Leuten ein dem Wert des gelieferten Viehs entsprechender Bon ausgestellt wird.

25.09.1914

Meine Dorfbevölkerung scheint sich wohl unter meinem Regiment zu fühlen, denn seit gestern kommen die Frauen und bringen mir frische Butter, Eier und du fromage, und sie sind beleidigt, wenn ich dafür zahlen will. Ich revanchiere mich durch Chokoladenabgabe für die petits enfants.

Meine Leutnants haben schon deutsche Platz- und Straßenbezeichnungen angebracht, sehr zur allgemeinen Freude der durchmarschierenden Kolonnen. Vor meinem Quartier befindet sich nun der „Carlsplatz“.

12.11.1914

Der Krieg ist ein vorzügliches Volkserziehungsmittel. Das sehen wir täglich mehr. Alle Berufsunterschiede verschwinden und es kommt wieder Religion unter das Volk. Man hört doch unter den Mannschaften keinen Fluch und kein rohes oder gottloses Wort. Sie sind mehr oder weniger ernst gestimmt. Sie denken eben daran, daß sie in jedem Augenblick vor Gott stehen können. Hoffentlich hält diese Stimmung auch nach dem Krieg an.

17.11.1914

Die Nacht verlief wie immer. Gegen 7 Uhr abends bum-bum als Zeichen zum Beginn der Vorstellung. Dann von 7 bis 8 wirkungsloses Schnellfeuer und von da ab bis zum Morgengrauen langsames Schützenfeuer der Franzmänner. Von 7 bis 8 morgens Kaffeepause und alsdann beginnt nach und nach wieder die Morgenvorstellung. Letztere ist im allgemeinen nicht besonders intensiv, wird nur gegen Mittag etwas lebhafter, läßt dann bis nach dem Nachmittagskaffee wieder nach und schwillt gegen Abend wieder an. So verläuft ein Tag nach dem anderen. Wir rühren uns kaum noch sondern vergleichen höchstens unsere Uhren, ob dieselben mit der französischen Zeit noch stimmen.

18.11.1914

Gestern habe ich den ersten Toten in meiner Compagnie gehabt. Er hatte sich zu sehr auf das schlechte Schießen der Franzosen verlassen und mußte seinen Wagemut mit dem Tode büßen. Heute Morgen haben wir ihn begraben.

21./22.12.1914

Übrigens glauben wir alle, daß der Krieg bald zu Ende ist. Nachdem in Rußland die Entscheidung gefallen ist, Belgien und Serbien erledigt sind, Frankreich auch nicht mehr recht kann, was wollen denn die Engländer? Die haben ja mehr Angst vor einer Landung unsererseits als sonstwas.

1915

01.01.1915

Von dem Aussehen in Frankreich macht ihr Euch keinen Begriff. Es ist nichts mehr heil in den Orten, alles in Grund und Boden geschossen. Kein Feld bestellt, alles wüst und leer. Frankreich krankt noch lange an diesem Krieg.

24.02.1915

Gestern Abend um 10 Uhr bin ich in unsere Stellung eingerückt. Der Marsch hat 5 Stunden gedauert. Es war ein fürchterlicher Weg durch Schlamm und Wasser bis zu den Knien. Diejenigen Stellen, die unsere Verwendung angeordnet haben, haben unseren Anmarschweg wohl nie gesehen.

Gestern Abend um 10 Uhr bin ich in unsere Stellung eingerückt. Der Marsch hat 5 Stunden gedauert. Es war ein fürchterlicher Weg durch Schlamm und Wasser bis zu den Knien. Diejenigen Stellen, die unsere Verwendung angeordnet haben, haben unseren Anmarschweg wohl nie gesehen.

Das II. Bataillon auf dem Marsch

23.03.1915

Daß du [seine Ehefrau] bis jetzt 2500 Mark Kriegsanleihe gezahlt hast, ist sehr brav von Dir, und ich mache Dir dafür eine Verbeugung. Wie alle sind hier sehr gespannt, wieviel wohl bisher gezeichnet ist; wir rechnen mit 6-8 Milliarden Mark. Unsere Feinde sollen sehen, welches Vertrauen zu unserem Heer bei uns herrscht!

Von uns will keiner auf Urlaub nach Hause gehen. Diejenigen, welche Zuhause gewesen sind, erzählen, daß der Abschied Zuhause schlimmer wäre als der größte Schlamassel hier, und daß der Gedanke, an einem bestimmten Tag wieder hinaus zu müssen, allen Urlaubsgenuß verdorben hätte.

Hier im Dorf herrscht große Trauer: morgen werden all jene Ortsbewohner abgeschoben, die nicht mehr arbeitsfähig sind. Das Land soll seine Bevölkerung selbst ernähren. Man hat ja Mitleid, doch die Maßnahme ist richtig.

Info Box

Die Kriegsanleihe war während des Ersten Weltkrieges eine Form der Finanzierung, um die enormen Kriegskosten zu decken. Die Regierung gab Anleihen aus, die von Bürger:innen gezeichnet werden konnten. Im Gegenzug versprach die Regierung, das geliehene Geld nach dem Krieg mit Zinsen zurückzuzahlen. Die Kriegsanleihen waren dabei auch ein wichtiges Mittel, um die Bevölkerung aktiv in die Kriegsanstrengungen einzubinden und den patriotischen Zusammenhalt zu stärken.

03.04.1915

Kopf hoch und nicht den Glauben an unser baldiges Wiedersehen verlieren. Sind wir erst wieder zusammen, dann haben wir doch die Genugtuung, in diesem Kriege unsere Pflicht und Schuldigkeit getan und uns vor nicht gedrückt zu haben!

16.04.1915

Als Bataillonsführer habe ich es doch leichter. Ich muß nur hin und wieder mal zur Revision in die vorderen Gräben, da ich für die Abschnitte von zwei vorn liegenden Compagnien und für das Lager von zwei in Ruhe befindlichen Compagnien verantwortlich bin.

Info Box

Bänfer legt hier selbst dar, dass er sich bewusst ist, als Bataillonskommandeur ein privilegierteres Leben an der Front zu führen als die einfachen Soldaten.

20.04.1915 – 47. Geburtstag

Ertragen läßt sich der Krieg nur in dem Gefühl, daß die Lieben daheim gedanklich so bei uns sind, wie wir bei ihnen. Auch im größten Schlamassel bin ich ganz ruhig, weil ich hier bin, um Euch Zuhause zu beschützen und zu beschirmen.

Mein angekündigtes Geschenk für Dich ist ein Paar Führungsringe von französischen Granaten, von denen eine bei meinem Unterstand in den Argonnen und die andere bei Vanquois eingeschlagen aber nicht krepiert bzw. als Ausbläser angekommen ist. Die Führungsringe habe ich abmachen lassen; sie sollen – vergoldet – ein Paar Armreifen für Dich als Erinnerung an den Feldzug werden.

05.05.1915

Die ruhigste Zeit ist immer von 8 bis 10 Uhr. Post und Verpflegung kommt schon zwischen 3 und 4 Uhr, da werde wir zum ersten Male geweckt. Um 5 Uhr kommen dann die Meldungen über die Ereignisse der Nacht, das ist dann das zweite Wecken.

19.05.1915

Ab jetzt wird nur noch alle 12 Tage abgelöst, obwohl wir Bataillonsführer hier draußen der Meinung waren, daß 8 Tage Nervenanspannung und Schmutz und Läuse für unsere Leute genug sind.

24.05.1915

Gestern Abend erfuhren wir, daß nun Italien Österreich den Krieg erklärt hat. Auf die romanische Falschheit und Treulosigkeit waren wir längst gefaßt. Nun gibt es eben mit der gesammten Gesellschaft einen Aufwasch.

31.05.1915

Die Adjudanten des Brigade- und des Regimentsstabes planten – weil sie Eiserne Kreuze haben möchten – einen Angriff. Stoltz und ich erklärten den Plan für Mord und gingen bis zum Armee-Oberkommando mit unserer Ablehnung. Wir bekamen recht und werden nun schief angesehen. Doch das rührt uns nicht.

01.06.1915

Hier wird es immer friedensmäßiger. Vorne donnern die Kanonen und hier hinten wird exerziert, Felddienst geübt und Besichtigung gehalten, gerade so, als wären die Flinten mit Platzpatronen geladen. Zwei Kapellen geben abwechselnd Konzerte; sogar eine Artilleriekapelle zog vorhin hoch zu Roß durch das Dorf. Solchen Anblick habe ich im Krieg bisher auch noch nicht gehabt.

26.06.1915

Der Franzmann ist ruhig geworden. Er schanzt jetzt genau wie wir. Ein französischer Verwundeter lag bis zum 24. noch vor seiner Front und schrie öfters, besonders in der Nacht. Wir konnten ihm leider nicht helfen, weil die Franzosen auf unsere Krankenträger schießen. Schließlich hat aus dem französischen Schützengraben jemand auf deutsch gerufen: „Nicht schießen; wollen verwundeten Kameraden holen.“ Schnitger hat darauf geantwortet: „Holt ihn, wir schießen nicht.“ Zwei Krankenträger sind dann aus dem französischen Graben gekommen und Schnitger hat sich auch auf die Brustwehr gestellt. Dann hat er einen der Träger herangewinkt und beim Drahtverhaut haben sie sich getroffen. Schnitger hat ihm die Erkennungsmarken und Wertsachen der von unseren Leuten begrabenen Franzosen übergeben. Nach einiger Zeit sind die beiden dann friedlich geschieden und seitdem herrscht ziemliche Ruhe zwischen den beiden Linien.

21.08.1915

In Rußland geht es ja gut voran. Es wird nicht mehr lange dauern, dann gibt es dort Schluß oder im andern Falle einen Schützengrabenkrieg. Und dann geht es den Franzosen an den Kragen, vorausgesetzt, daß sie nicht vorher Schlußmachen und den Engländer alleine lassen.

30.08.1915

Unser gestriges Bataillonsfest ist schön verlaufen. Wir hatten einen Riesenzulauf von Offizieren der umliegenden Orte. Sie haben zugeguckt, wie unsere Mannschaften blinde Handgranaten warfen, Wettlauf durch den Sprunggarten machten, Tau zogen und dergleichen Scherze mehr. Jeder Soldat kriegte zwei Liter Bier, einen Kochgeschirrdeckel voll Kartoffelsalat und eine auf dem Rost gebratene Wurst.

Gleich haben wir eine Probe von etwa 200 Musikern. Es wird für einen Besuch, den der Kronprinz hier abstatten will, geübt.

Das II. Bataillon aufEine der Bataillonskompanien mit ihrer Gulaschkanone dem Marsch

08.09.1915

Glockenschlag acht hat das Concert angefangen. Es brummelt weit in den Argonnen und auch unsere Bellfritzen knallen dazwischen. Gebt daheim soviel wie möglich in die neue Kriegsanleihe. Es ist ein weiterer Sieg über unsere Feinde, wenn die jetzige Anleihe mindestens 12 Milliarden bringt.

12.09.1915

Es ist ein bildschöner klarer Herbstsonntag, ein wenig kalt und windig zwar, im übrigen aber ein Tag wie gemacht. Und ich lasse mir den Glauben nicht nehmen, daß bald Frieden ist.

29.10.1915

Heute habe ich eine kitzlige Arbeit vor mit. Ich muß eine Beurteilung der Offiziere, die seit dem 1. Juli zu uns gekommen sind, einreichen. Durchweg sind sie noch jung und kindlich, sodaß ich die Hauptfrage, ob sie sich zur Führung einer Compgnie eignen, nur bei ganz wenigen glatt beantworten kann.

03.11.1915

In der Nacht habe ich mit der Faust eine junge Ratte erschlagen, die mein Lager mit mir teilen wollte.

04.11.1915

Daß die Zeit hier rasend fix vergangen ist, liegt wohl daran, daß man die meiste Zeit verschläft. Ab 9 Uhr kaffeetrinken, um 12 Uhr 30 Mittagessen, dann bis 3 gepennt, Kaffee und Doppelkopf bis 6 Uhr, dann Abendbrot und Post bis 8 Uhr 30, danach noch einem Doppelkopf bis etwa 10. Nach dieser anstrengenden Tagesarbeit wohlverdiente Ruhe bis zur 1. Meldung um 5 und zur 2. Meldung um 7 Uhr 30. Wir quälen uns also nicht tot, müssen aber immer bereit sein.

07.11.1915

Am Mittag werde ich sämtliche Arbeiten einstellen lassen. Die Männer sollen merken, daß Sonntag ist.

11.12.1915

Es regnet immer weiter und alle Gräben sind versoffen. Infolge schweigenden Übereinkommens stören wir und Franzmann einander nicht, sogar die zwischen den Linien liegenden Toten vom 25. September werden jetzt begraben.

Unsere Leute sehen fürchterliche dreckig aus. Ihre Sachen werden überhaupt nicht mehr trocken. Sie sind nicht mehr feldgrau sondern lehmfarbig.

31.12.1915

Schatz, wir können auf das verflossene Jahr mit größter Dankbarkeit zurückblicken. Waren wir durch diesen Krieg, der kommen mußte, auch getrennt, so sind wir doch alle gesund geblieben und das ist der größte Reichtum und das beste Geschenk. Mit diesem Gedanken überwinde unsere Trennung. Die längste Zeit des Krieges ist vorüber, und bald haben wir uns wieder. Dann brauchst Du auch keine Angst zu haben, daß unsere Jungens mal in den Krieg ziehen müssen. Nach diesem Ringen bindet so leicht keiner wieder mit uns an und wir haben für lange, lange Jahre Ruhe.

Info Box

In diesem Brief an seine Frau wird deutlich, wie überzeugt Bänfer von diesem Krieg war und für wie notwendig er ihn hielt.

1916

09.02.1916

Der Adjunkt weilt seines Amtes als Gerichtsoffizier. Mit Vernehmungen hat er verhältnismäßig viel zu tun. Nachher muß er Maxel als Zeugen und Sachverständigen vernehmen. Es handelt sich um die Selbstverstümmelung eines Ersatzreservisten, der sich mit seinem Gewehr das vordere Glied des rechten Daumens abgeschossen hat. Solche Verstümmelungen kommen zwar selten vor; doch wenn einmal, dann meistens bei Ersatzreservisten oder Landsturmrekruten. Unsere alten Leute fassen den Krieg anders auf.

Info Box

Während des Ersten Weltkrieges war die Selbstverstümmelung unter Soldaten eine extreme, aber existierende Form der Verzweiflung, um den schrecklichen Bedingungen an der Front zu entkommen. Die Soldaten fügten sich selbst und mit voller Absicht teils schwerste Verletzungen zu, um dem aktiven Kriegsdienst und dem Kampfgeschehen zu entgehen. Dieses Phänomen wurde von der Heeresleitung hart bestraft, oft sogar mit dem Tod.

11.02.1916 

Übrigens: meinen Geist bilde ich aus der Waldeckschen Rundschau, der Frankfurter, der Kläglichen Rundschau und dem Oberhessischen Boten. Trotz dieser Fülle an geistiger Nahrung macht die Kriegsverblödung auch bei mir riesige Fortschritte.

14.02.1916

Heute Abend findet eine Kinovorstellung nur für Offiziere statt. Der Film heißt „Kleopatra“.

26.02.1916 

Um 10 Uhr wurde telefonisch durchgegeben, daß das Fort Douaumont genommen sei und vier andere, davon drei auf dem linken Maasufer, nicht mehr antworteten. Wir waren ganz still vor Dankbarkeit und Hochachtung vor den Leistungen unserer Truppen. Einen solchen Erfolg in so kurzer Zeit hatten wir nicht erwartet.

Wir bekommen jetzt immerzu neue Leutnants. An Mannschaften fehlt es uns auch nicht. Wo kommen bloß die vielen Soldaten her? Ich habe eine Verpflegungsstärke von mehr als 1.100 Mann. Hier vorne sind wir im ganzen etwa 700.

Info Box

Das Fort Douaumont war eines der zentralen Verteidigungsbauwerke des Festungsgürtels um Verdun und spielte eine Schlüsselrolle während der Schlachten in diesem Gebiet. Gleich zu Beginn der Schlacht um Verdun wurde das Fort – wie hier von Hauptmann Bänfer beschrieben – von deutschen Truppen eingenommen. Dies war ein schwerer Schlag für die französische Moral, denn das Fort Douaumont galt als uneinnehmbare Festungsanlage. Es wurde schnell zu einem Symbol für die Verluste und das Versagen der französischen Verteidigung. Erst im Oktober 1916 gelang es den französischen Truppen, das Verteidigungsbauwerk zurückzuerobern.

20.03.1916

Maxel und ich haben heute bereits festgestellt, daß der Krieg lange genug gedauert hat und nun aufhören kann. Unser Kriegsruhm ist heute vollständig gedeckt.

Info Box

Es scheint so, dass Bänfer entgegen seiner noch Ende des Jahres 1915 getätigten Aussage nun doch kriegsmüde geworden war und keine Notwendigkeit darin sah, den Krieg weiter fortzuführen.

06.04.1916

Die beiden vertraglich verpflichteten Zivilärzte vom III. Batl haben sich krank gemeldet. Sie wollen nicht mehr nach vorne. Der Regimentsarzt vom I. Batl geht auch nicht nach vorn und so bleibt der ärztliche Dienst hier vorne auf meinen beiden Doctors und dem Feldhilfsarzt vom I. Batl hängen. Es gibt nämlich keinen Ersatz für ausgefallene Ärzte, da diese, sobald sie das EK II haben, sich an Lazarette und an die Etappe melden. Meine drei Doctoren kommen nun überhaupt nicht mehr in Ruhe. Hinter der Front müßte unter den Ärzten mal mit eisernem Besen ausgefegt werden, damit auch mal solche, die noch nie eine Kugel haben pfeifen hören, sich den Betrieb hier vorne ansehen können.

Info Box

Der Begriff „Etappe“ bezeichnete den rückwärtigen Bereich der Front, der für die logistische und administrative Unterstützung der kämpfenden Truppen zuständig war. Die Etappe gehörte nicht zum unmittelbaren Kampfgebiet, sondern lag hinter der eigentlichen Frontlinie. Daher herrschten hier, im Gegensatz zu den gefährlichen und chaotischen Verhältnissen an der Front, relativ sichere und geordnete Verhältnisse.

13.04.1916 

Unsere Ruhetage laufen folgendermaßen ab: spät aufstehen, große Wäsche, gemütliches Kaffeetrinken, Briefschreiben nach Hause, Mittag im Casino. Nach dem Mittagessen Kaffee mit ilustrierten Zeitschriften, dann schlendern zum Quartier, Briefe und Zeitungen lesen, dann zwei Stunden ausreiten, dann eine Stunde regieren, dann Sitzung im Casino.

Offiziere hinter dem Casiono in Montcheutin; 
Zweiter von links: Hauptmann Bänfer

12.05.1916 – Ein paar Tage nach Rückkehr aus dem Heimaturlaub

Bei mir ist jetzt alles wieder im Lot, gerade so, als ob ich nicht auf Urlaub gewesen bin. Man ist eben hier mit den Leuten und Kameraden doch verwachsen. Natürlich will jeder mal zu Muttern und den Kindern; hat er dann aber gesehen, daß Muttern alles tadellos macht, dann zieht es ihn wieder heraus auf sein Arbeitsfeld.

Heute kommen die Offiziere der 5. und 6. Compagnie aus dem Hindenburglager herunter zum Baden und Entlausen. Die Mannschaften der 5. Comp trafen eben auch zur Reinigung ein. Es ist schon eine scherzhafte Erscheinung dieses Krieges, daß eine Truppe im Schritt und Tritt mit Musik voran zum Lausoleum geführt wird!

12.06.1916

Solange wir vor dem Feinde liegen, bekommen wir für 6 Tage 1800 gr Fleisch und für 5 Tage in Ruhe 1000 gr. Außerdem täglich 750 gr Brot und 500 gr Kartoffeln. 

24.06.1916 

Morgen haben für die zwei hier liegenden Compagnien (die 7. und 8.) ein Sommerfest. Dazu wird ein Schwein geschlachtet und dazu werden eineinhalbtausend Wasserwecken gebacken. Außerdem gibt es dazu Freibier.

26.06.1916 

Unser gestriges Compagniefest ist nett und ohne jeglichen Mißklang verlaufen. Die Leute gaben sich die größte Mühe, durch allerlei scherzhafte Aufführungen Stimmung hineinzubringen. Kein einziger anstößiger Witz war darunter. Gegen Abend sangen verschiedene Chöre die schönsten Heimat- und Soldatenlieder.

29.07.1916 – Nach dem Umzug in ein neues Quartier

Mein erstes Tun ist nun, einen Hauch von Gemütlichkeit zu schaffen. Zwei bequeme Sessel habe ich schon gefunden; auch eine Hängelampe. Euch daheim bitte ich nun, mir 3 bis 6 ungerahmte Bilder, z.B. aus dem alten Kriegervereinskalender, oder Postkarten (mit Jagd- und patriotischen Motiven, Landschaften usw.) zu schicken. Auch einen kleinen Rasierspiegel zum Aufstellen könnte ich gebrauchen.

03.08.1916

Vorgestern besuchte uns ein Flieger. Er ist aber bei Monthois abgeschossen worden. Wir konnten zusehen, wie die unsrigen ihn in die Mache kriegten und abtaten. Der Kerl war aber auch zu frech.

04.08.1916

Unserer Sommerfrische hat gestern Abend um 11 Uhr ein plötzliches Ende gefunden. Ich wurde ans Telefon gerufen und eine Stunde später war ich auf der Walze nach vorn. Wir haben den Abschnitt unserer linken Nachbarregiments noch dazu bekommen und so bin ich nun mit meinem Bataillon auf 16 Tage vorne.

Mein Unterstand ist gut und bombensicher; es fehlt aber die Bewegungsfreiheit, wie wir sie in unserm Kurort [dem vorherigen Quartier] hatten.

11.08.1916 

Ich bin ein unverbesserlicher Optimist und glaube noch immer an den Kriegsschluß vor Beginn des Winters. Hier im Westen kommen die Franzosen und Engländer nicht durch, und der Hindenburg wird die Sache im Osten schon schmeißen.

12.08.1916

Ich bin fest davon überzeugt, daß ich aus dem Kriege heil nach Hause komme.

24.08.1916

Gestern Nachmittag haben wir schön geschwommen und dann gekegelt. Es war ein schöner warmer Tag und wir nehmen eine angenehme Erinnerung an unsere Sommerfrische mit in die Stellung.

25.08.1916 

Nächstens kommt ein dicker Bataillonsbefehl über das Halten und Mitnehmen von Hunden in die Stellung. Einzelne junge Leutnants und die Herren Feldwebel haben sich Köter angeschafft. Das sind die reinsten Flohpelze, die die Unterstände voll Ungeziefer setzen, sodaß die Nichthundebesitzer sich vor Flöhen nicht retten können.

29.08.1916

Daß Italien uns und Rumänien Österreich den Krieg erklärt haben, hat uns nicht besonders gerührt, selbst als französische Flieger (anliegenden) Zettel auf unsere Stellung herabgeworfen und Schilder desselben Inhalts vor ihren Gräben aufgebaut haben. Als Antwort haben sie einige Handgranaten in ihre Stellung gekriegt und daraus entwickelte sich eine kleine Katzbalgerei, jedoch kurz und schmerzlos richtete sie keinen Schaden an.

Für Bulgarien ist der Eintritt der Rumänen auf Seite unserer Gegenpaukanten ein gefundenes Fressen, denn nun können sie einen alten Stunk austragen.

Info Box

Auf dem von Bänfer erwähnten Zettel stand geschrieben: „Deutsche Soldaten! Rumänien, welches mit den Zentralmächten verbündet war, hat sich soeben auf unsere Seite gestellt: es hat Österreich-Ungarn den Krieg erklärt.“

02.09.1916 

Gestern Abend kam der Franzose mal wieder in seinen alten Dreh, jedoch erfolglos. Unsere Minenwerfer hatten ihn geärgert. Heute kommen die Flieger und da kriegen sie gleich etwas aufs Bündel. Es knallt aber nur und tut nicht weh.

02.09.1916 

Der Hauptzweck meines Bummels durch die Stellung war heute, einen Waschplatz und einen Raum für eine Badegelegenheit nebst Entflöhung auszuknobeln. Den Waschraum habe ich festgelegt, das andere bleibt ein Traum der tüchtigen am grünen Tisch regierenden Sanität.

15.09.1916 

Mein geliebtes Ischen, … sei am 18. September – unserem 19. Hochzeitstag – nicht traurig. Dieser Krieg mußte sein und sei froh, daß Dein Mann noch so kräftig und gesund ist, den Krieg vorn auszufechten und nicht Schwamm zu klopfen. Es wäre Dir und unsern Jungen doch nicht recht, wenn ich zu dir Sorte Drückeberger und Heimkrieger gehörte.

09.10.1916 

Wir sind furchtbar stolz auf Euch und Euren Sieg in der Heimat! Über 10,5 Milliarden als 5. Kriegsanleihe soll Euch mal ein Volk nachmachen! Daß Du 2500 Mark gezeichnet hast, soll Dir mal eine Frau in unseren Verhältnissen nachmachen. Du bist und bleibst ein Finanzgenie und eine vorzügliche Hausehre, wie es weit und breit keine mehr gibt!

27.10.1916 

Meinen vorgeschriebenen Übungsmarsch in Verbindung mit einer Felddienstübung habe ich hinter mit. Ich habe mal wieder gesehen, wie gut und notwendig solche Aufgaben sind. Die Mannschaften und auch die Führer haben in dem Einerlei des Schützengrabendienstes das ABC des Kriegsdienstes verlernt. Es dauerte lange, bis allen ein Licht aufging. Als kluger Hausvater bin ich natürlich vor dem Regen mit den Kindern nach Hause gerückt. 

22.11.1916 

Von unendlichem Wert für uns ist, daß auf deutschem Boden kein bewaffneter Feind steht, sondern der Krieg auf dem Boden unserer Gegner ausgetragen wird. Die Schäden an Land und Besitz sind ungeheuer.

26.11.1916 

Seit der Hindenburg am Ruder ist, wird alles umgeworfen. Es wird geschrieben und befohlen, daß man sich kaum noch durchfindet. Es herrscht gar keine Ruhe mehr in der Kolonne. Die Hauptsache ist aber, daß ich mich nicht aufrege.

Ich freue mich jetzt bannig auf meinen Urlaub. Man kommt mal aus dem ganzen Zimt heraus und lernt auch wieder kennen, daß es außer feldgrauen Soldaten auch noch Frau und Kinder und andere Menschen gibt.

1917

15.01.1917 

Farbe will ich jetzt bekennen: ich war auf einem Patrouillen-Unternehmen. Es war – vor 4 Wochen von einem aktiven Hptm. geleitet – ohne seine Schuld ergebnislos verlaufen und wurde wiederholt. Das Regiment mußte den Leiter der Sache stellen und da nahm es mich, weil Zeihe wegging und ich dann der älteste Bataillonsführer war. Heute Morgen um 4 Uhr 05 ist die Sache gestiegen, um 4 Uhr 45 hatte ich 22 franz. Gefangene in meinem Unterstand. Viel Tote hat es bei ihnen auch noch gegeben, während ich einen Schwer- und drei Leichtverwundete hatte. Es war also ein voller Erfolg. Alle Werkzeuge des modernen Krieges standen mir zur Verfügung, Artillerie, Minenwerfer, Flammenwerfer und Sturmtruppleute. In meine Anordnungen hatte mir weder Regiment noch Brigade hineinzureden; nur mit dem Generalstabsoffizier der Division hatte ich zu verhandeln und dieser erfüllte bereitwilligst meine Wünsche.

17.01.1917

Gestern wurde von uns der französische Tagesbericht über unsere Unternehmung aufgefangen. Danach ist ein groß angesetzter Durchbruchsversuch unter blutigen Verlusten für uns gescheitert. Sie hatten ja recht, daß die Stellungen in ihrer Hand blieben, da wir bloß Gefangene machen, nicht aber in ihrer Stellung bleiben sollten. Aber daß wir mit einem großen Durchbruchsversuch unter blutigen Verlusten gescheitert sind, ist denn doch zu toll aufgeschnitten. Da sieht man so recht, was man von den französischen Kriegsberichten zu halten hat.

07.02.1917

Also, Amerika hat die diplomatischen Beziehungen mit uns abgebrochen. Wir sind froh, daß der scheinheilige Wilson endlich seine Maske abgetan hat.

11.02.1917

Es ist wirklich grober Unfug, jetzt bei Schnee, hart gefrorenem Boden und Mondschein wie man jede Bewegung weit sieht und hört, Nacht für Nacht Patrouillen vorzutreiben. Aber Befehl ist Befehl. Trotzdem lasse ich mich nicht davon abhalten, meine Ansicht dazu zu melden.

07.05.1917 

Gestern Abend meldete sich der Stoßtrupp, um ein ziemlich großes Stößchen zu machen. Erfolg: 2 französische Gefangene und eine Gasmaske. Verluste bei uns: 1 Mann tot, 2 Offiziere und 14 Mann teils leicht, teils schwer verwundet. Der Stoßtrupp ist glatt abgeschmiert. Hoffentlich wird nun dem unternehmungslustigen Herrn Divisionär das Handwerk gelegt. Er hat keine glückliche Hand und für solche Pechvögel muß ein anderes Betätigungsfeld gesucht werden.

09.05.1917 

So, unseren Regimentskommandeur sind wir los. Gestern Abend hat er den blauen Brief bekommen. Seine Regimentsführung war also bloß eine Episode. Er ist nun der dritte Kommandeur, der von dem Divisionär zur Strecke gebracht wird; erst der von 116, dann von 118 und nun von 83.

14.05.1917 

Heute früh hatten wir ein interessantes Schauspiel. Ein französischer Flieger – der Kerl hatte aber großen Schneid – ärgerte uns und die Artillerie tagelang. Man konnte kaum die Nase aus dem Unterstand strecken, da war das Ekel da und es hagelte Eisenbrocken. Unsere Artillerie kriegte ihn nicht herunter. Heute Morgen nun tauchten ganz hoch in den Wolken zwei unserer Kampfflieger auf. Plötzlich stieß einer wie ein Habicht auf ihn und der Franz ging koppheiser. Etwa eine Stunde von hier ist er zur Erde gestürzt. Und nun ist Ruhe im Land.

17.05.1917

Eben wird mir ein Franzose gebracht, der übergelaufen ist. Er hat keine Lust mehr Krieg zu führen. Wir schicken ihn weiter zum Regiment, da können sie ihn ausquetschen.

19.06.1917

Es ist doch mit der Verpflegung so eine Sache: mal werden ununterbrochen nur leichte Sachen wie Nudeln, Gries, Reis, Häringe mit Backobst geliefert, dann kriegen wir plötzlich mal Hochgenüsse wie Erbsen und Bohnen hintereinander.

02.07.1917 

Das Regiment hat in seinen Strafsachen stark zurück gehuft, versetzt mir aber einen Anpfiff mit dem Satze, daß bei mir das Bestreben gemerkt sei, für meine Leute durch dick und dünn zu gehen, um ihnen Bestrafungen zu ersparen. Wenn mich je etwas gefreut hat, dann ist es diese Behauptung; denn dafür gehen meine Leute für mich auch durch dick und dünn.

09.07.1917 

Überhaupt war gestern ein schwarzer Tag. Der Franzose war ganz fimmelig und schoß wahllos im Gelände umher. Beim Arbeitsdienst habe ich 3 Mann durch Tod und noch verschieden Verwundete eingebüßt. Schade um die braven Kerls.

18.07.1917

Heute Nacht war mal wieder Großkampftag der 9. Landwehrdivision, jedoch nicht bei uns sondern unserm Nachbarregiment. Wir kriegten nur die Ausläufer mit. Es war ein Patrouillenvorstoß von uns. Ergebnis – soweit bis jetzt bekannt, = 0,0 und 12 Verwundete. Ach ja, diese Unternehmungen! Ein ganzer Trupp von 15 Mann fehlt noch, entweder tot oder verwundet. Das kann eine schöne Schweinerei werden.

23.08.1917

Der Franzose kriegte heute einen Rappel und schoß nach unserm Schießstand mit Kanonen. Als höflicher Mann kündigte er seine Absicht durch einige Schüsse ins Gelände an, und als er dann näher rückte, waren wir längst entwetzt.

19.11.1917

Heute Mittag um 1 Uhr muß ich wieder zu einem Begräbnis der 118-ner. Ein Compagnieführer ist gefallen, den ich sehr gut kannte. Mit noch zwei Offizieren muss ich als Abordnung hin. Einen einfachen Strauß aus dem Argonnenwald nehmen wir ihm mit.

01.12.1917

Aus Rußland ist – nach der Erklärung des Reichskanzlers im Reichstag – das Friedensangebot da. Wir bekommen eine unendliche Menge an Truppen aus Rußland. Die weite Etappe hinter uns läge voll und immer noch käme eine ununterbrochene Reihe von Zügen.

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Anfang des Jahres 1917 brach in Russland die Februarrevolution aus, die zur Abdankung des Zaren führte. Später im selben Jahr folgte die Oktoberrevolution, bei der die Bolschewiki unter Lenin die Macht übernahmen. Russland stürzte in ein innenpolitisches Chaos und die neue bolschewistische Regierung war nicht mehr in der Lage, den Krieg weiterzuführen. Aus diesem Grund begannen die Bolschewiki sich durch Friedensverhandlungen mit den Mittelmächten aus dem Krieg herauszuziehen. Der Friedensvertrag von Brest-Litowsk beendete schließlich am 3. März 1918 den Ersten Weltkrieg an der Ostfront.

03.12.1917 

Heute Abend hören wir Frauengesang und humoristische Vorträge. Und morgen gehe ich mit dem Divisionsadjudanten auf die Jagd. Flinte und Patrone habe ich mir bereits geborgt.

06.12.1917

Nun haben die Rumänen auch bereits Waffenstillstand abgeschlossen. Denen blieb ja auch nichts anderes übrig. Im Osten ist nun also vollständige Ruhe.

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Das innenpolitische Chaos in Russland und dessen Rückzug aus dem Krieg zwangen auch das mit Russland verbündete und davon abhängige Rumänien zum Waffenstillstand mit den Mittelmächten.

24.12.1917 

Wir sind neugierig, wann es gegen die Franzosen und Engländer richtig losgeht. Die Firma Hindenburg und Ludendorf hat noch keine Fehler gemacht.

25.12.1917

Unsere Weihnachtsfeier war hübsch. Im Schneemantel war Rüdiger der Knecht Rupprecht. Unsere Bürschlein, Läufer, Telegrafisten und Funker mußten antreten und brav wie Kinder Weihnachtslieder singen, und dann bescherte sie „KR“ Rüdiger mit den Gaben, die wir in eine Kiste getan hatten.

1918

02.01.1918 

Unser Nachbarregiment mußte einen Franzosen fangen, hat zwei gekriegt, dabei aber 5 Tote (darunter 2 Offiziere) und 16 Verwundete eingebüßt. Die Toten werden heute Nachmittag hier begraben. Diese verdammten gewaltsamen Unternehmungen! Die hinten liegenden Stäbe spüren überhaupt nicht, was die Truppe bei solchen Vorstößen auszuhalten hat. Uns haben sie es ja nicht geglaubt, daß wir die alten Truppen noch vor uns haben. Nun aber haben sie die Gewißheit, die wirklich mit schweren Opfern erkauft ist.

23.01.1918 

Es ist nicht leicht und auch nicht billig, sich neue Schuhe anzuschaffen. Die Notwendigkeit der Anschaffung und auch die Reparatur aller Schuhe muß vom Vorgesetzten bescheinigt werden.

03.02.1918 

Die Ansicht, daß es zu einer großen Offensive nicht mehr kommt, wird auch von vielen hier geteilt. Ich vertrete da allerdings eine andere Ansicht, denn da ich bis jetzt mit meinen Prophezeiungen so oft und so weit nebenher gehauen habe, versuche ich’s mal mit dem umgekehrten Dreh.

01.03.1918 

Ich habe so das Gefühl, daß es hier im Westen nicht mehr zu einer Offensive käme, sondern, daß Amerika, Italien und auch Frankreich abschnappten und England dann so tut, als ob es im Interesse seiner Genossen nachgäbe. 

08.03.1918 

Ab jetzt wird jeder Brief vor der Absendung geöffnet und gelesen. Ich werde deshalb nun vorläufig nur Karten nach Hause schicken.

09.03.1918

Um 3 Uhr habe ich einen Offizier von meiner MG-Compagnie begraben. Es war ein prächtiger Mensch von 21 Jahren, das einzige Kind einer Witwe. Gestern ist er gefallen. Er war in Stellung. Sein Tod ist mir nahe gegangen, besonders, da ich ihn wegen seiner geistigen Gaben, seines Pflichtgefühls und seiner Herzensreinheit sehr schätzte. Nun ist er begraben und auch schon halb vergessen.

21.03.1918 

Es ist ein Genuß durch die Stellung zu gehen und mit den Leuten zu sprechen. Es herrscht eine Stimmung, wie in den ersten Tagen des August 1914. Nirgends Kleinmut und Miesmacherei sondern felsenfestes Vertrauen auf einen guten Ausgang.

09.04.1918 

Es geht mir jetzt öfter durch den Kopf, wieviel zwecklose Tage und Jahre wir nun schon im Stellungskampf zugebracht haben und welche Unsummen von Arbeitskraft, somit auch Einbuße an Volksvermögen, durch diesen Krieg verloren gegangen ist. Weltschmerzlich angehaucht wollen wir aber nicht werden. Der Krieg war notwendig und er geht ja nun auch mit Riesenschritten zu Ende. Die Hauptsache ist, daß wir die Sieger sind und alle diese Verwüstungen Deutschland erspart sind.

30.05.1918

Soisson ist gefallen und 25.000 Mann gefangen, 11 französische und 3 ½ englische Divisionen vernichtet. Das ist bei unsern Gegnern ein Verlust von über 200.000 Mann. Was will die Gesellschaft eigentlich noch? Je länger sie den Krieg fortsetzen, umso härter werden die Bedingungen.

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Der Fall der Stadt Soisson war einer der letzten großen Erfolge der deutschen Truppen an der Westfront. Im Anschluss starteten die Alliierten eine erfolgreiche Gegenoffensive, die zur Zweiten Schlacht an der Marne (Juli/August 2018) führte. Anfang August 1918 eroberten die Alliierten in diesem Zuge die Stadt zurück.

15.07.1918 

Heute Nacht, kurz nach 1 Uhr, hat die Champagne-Offensive begonnen, und soweit wir es nach dem Kanonenschall beurteilen können, macht sie gute Fortschritte. Wir selber, der Eckpfeiler, bleiben stehen und es dreht sich die Sache um uns. War das heute Nacht eine Ballerei! Wegen des Getöses war an Schlaf nicht zu denken. Hoffentlich werden die gesteckten Ziele auch voll und ganz erreicht. So viele unserer Flieger wie heute habe ich zu gleicher Zeit in der Luft noch nicht gesehen.

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Gemeint ist eine der letzten großen Offensiven der Deutschen unter dem Decknamen „Marneschutz-Reims“. Mit dieser Offensive sollte eine Entscheidung an der Westfront herbeigeführt werden, indem deutsche Truppen die französischen Linien in der Champagne durchbrachen und die Stadt Reims einkesselten. Ziel war es, die Alliierten zu schwächen und zu einem Friedensschluss zu zwingen, bevor die Verstärkung der amerikanischen Truppen an der Front die Lage weiter verschlechterte.

16.07.1918

Es brummelt und bullert weiter. Unsere rechte Nachbardivision und unser rechter Flügel gehen mit vor. Unruhig und nervös sind sie bloß hinten. Wir hier vorne bleiben kalt wie ein Hundeschnäuzchen. Von der Artillerievorbereitung der gestrigen Nacht haben wir gleich unseren Vorteil gezogen. Die französischen Posten zogen sich aus Angst vor unserm Vorstoß auf ihre Hauptwiderstandslinie zurück. Diesen Rückzug haben wir gleich benutzt und endlich die Leiche des vor 6 Wochen gefallenen Gefreiten meines Bataillons, die wir bisher nicht krigen konnten, da sie im französischen Drahtverhau hing, hereingeholt. Nun kriegt der brave Mann doch ein ehrliches Begräbnis. 

17.07.1918 

Unsere Offensive macht Fortschritte, obgleich Franz schon reichlich vorher gewußt hat, wann und wo die Sache losgehen würde und er sich auch darauf eingestellt hat. Natürlich sind die Fortschritte nicht so groß, als wenn die ganze Sache überraschend gekommen wäre. Ich möchte mal wissen, ob man wohl den Schuft erwischt, der sein Maul nicht hat halten können. Aufknüpfen, rädern und vierteilen müßte man solches Waschweib.

28.07.1918 

Ob die Offensive mißlungen ist, entzieht sich unserer Beurteilung. Wir haben aber so unsere eigenen Gedanken darüber.

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Diese Aussage lässt die Vermutung zu, dass Hauptmann Bänfer und die ihm unterstellten Soldaten durchaus bewusst war, dass die Offensive gescheitert war, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt noch keine offizielle Meldung darüber erhalten hatten.

05.08.1918

Heute Mittag wird es wohl ein asiges Gesaufe geben. Der Oberstleutnant hat große Lust dazu. Heute Abend ist dann die Einweihung des neuen Theaterraumes und die Schauspieler und Schauspielerinnen sind uns zur Verpflegung zugeteilt.

14.08.1918

Ich glaube an Waffenruhe in diesem Herbst. Wenn wir in der letzten Zeit auch ein paar Schlappen gekriegt haben und infolge dessen unseren Gegnern der Kamm geschwollen ist, so haben sie aber doch gemerkt, daß sie unter den denkbar günstigsten Momenten nicht durchkommen und uns klein kriegen können. Es ist ja Feindesland, welches von uns freiwillig geräumt ist. Bis nach Deutschland ist es noch ein weiter Weg.

01.09.1918 

Unsere Gegner haben jetzt die größte Anstrengung gemacht, die es giebt und was haben sie erreicht? Unendliche Verluste für sich und ein paar Quadratkilometer französischen Boden. Einen Durchbruch haben sie an keiner Stelle erzielt und sie wissen auch, daß sie einen solchen nicht fertig bringen. Ein gewisses moralisches Plus haben sie jetzt dadurch, daß sie uns wenige Km zurückgedrängt haben; sie fühlen sich als nicht ganz blamiert. Frankreich ist ja sowieso ruiniert und muß nach Englands Pfeife tanzen.

Also, Schatz, ich glaube, daß wir vom Frieden resp. Waffenruhe nicht mehr weit entfernt sind. Unsere Gegner machten nicht diese ungeheuren Anstrengungen, wenn sie nicht einen Mordsbammel vor dem Winter hätten. Ihre Verluste sind ungeheuer groß. Uns kann es ja recht sein, wenn sie in dieser Weise weiter anrennen; um so eher sind sie am Ende ihrer Kraft, während bei unserm Verteidigungsverfahren unsere Verluste gering bleiben. Wir halten sie ja mit ganz wenigen Leuten auf.

12.09.1918 

Gestern Abend hat der feindliche Großangriff zwischen Verdun und Metz begonnen. Die Entente will mit aller Macht eine Entscheidung erzwingen, also steht ihr das Wasser bis zum Munde und sie kann es auf einen Winterfeldzug nicht mehr ankommen lassen.

26.09.1918

Um 11 Uhr gestern Nacht setzte völlig überraschend sehr starkes Artilleriefeuer in der Champagne ein. Gas und künstlicher Nebel legten die Verteidigung weitgehend lahm. Heute Morgen brach auf der rd. 90 Km breiten Gesamtfront westlich der Argonnen Franzosen und östlich Amerikaner vor. Ihnen war es gelungen, ihre Angriffsvorbereitungen völlig zu verbergen. Auf deutscher Seite standen auf 20 Km nur drei Divisionen zur Abwehr bereit. Dichte Wellen von Infanterie überrannten die deutschen Stellungen und drangen um 7 Km tief vor.

05.10.1918 – Letzter Brief und Todestag

Zum Briefschreiben komme ich nicht in dieser Schlamasselzeit, aber vergnügt, munter, gesund und heil bin ich noch immer. Je bunter, je kregeler.

Waschen und sonstige Gewohnheiten des Luxus fallen aus. Alle meine Habe trage ich bei mir; die besseren Sachen befinden sich weit hinten bei der Etappe.

Die Nacht verlief ruhig, ebenso der Vormittag – bis 11 Uhr herrschte dichter Nebel – , abgesehen von mäßigem Störungsfeuer und Zusammenstößen mit mehreren sehr behutsam vorfühlenden Patrouillen der Franzosen. Die Zeit wurde zum Verstärken der vordersten Linie benutzt, die zum großen Teil nur aus Postenlöchern bestand.

Um 16 Uhr 30 begannen etwa 35 Batterien der Franzosen mit einer systematischen Beschießung der Südhälfte des Terrièrewaldes, deren Heftigkeit sich mehr und mehr steigerte, um dann ab 5 Uhr in wildes Trommelfeuer überzugehen.

Im Wald befindliche Stapel von Minen und Handgranaten flogen in die Luft und verursachten Verluste. Jeder Unterstandseingang wurde mindestens einmal verschüttet, zahlreiches MG-Material durch Treffer unbrauchbar gemacht.

Um 17 Uhr 40 setzte ein heftiger Beschuß mit Reizgas ein, der die gesamte Waldbesatzung unter die Gasmaske zwang, und dem sofort der Infanterieangriff folgte.

Außerhalb des Waldes hatten die Franzosen vollen Erfolg und entlang seines Südrandes rückten sie erstaunlich rasch vor.

Die durch das Artilleriefeuer nahezu aufgeriebene 7. Compagnie kam für ein flankierendes Eingreifen nicht mehr in Frage, sodaß der im linken Nachbarabschnitt durchgebrochene Gegner im Rücken der 5. und 7. Compagnie überraschend auftrat.

Ende des Kriegstagebuchs

„Gefallen auf dem Feld der Ehre“ – Der Tod Karl Bänfers

Die zwischen dem 27. September und 4. Oktober an Hauptmann Bänfer versendeten Briefe kamen mit der Anmerkung „Empfänger auf dem Felde der Ehre gefallen“ zurück.

Noch am Tage seines Todes wurde er von seinen Vorgesetzten – bevor diese Kenntnis über Bänfers Tod erlangten – zur allerhöchsten Kriegsauszeichnung vorgeschlagen.

Der Bataillons-Tambour aus Bänfers Einheit schildert dessen Tod wie folgt: 

Im Abschnitt der 5. Compagnie bei Ltn. Döring brachen etwa 25 bis 30 Franzosen durch, stießen auf den K.T.K. [Kriegs-Transport-Kommando] Hptm. Bänfer und forderten ihn auf, sich gefangen zu geben.

Ich sagte zu Hptm. Bänfer: „Wollen wir uns denn gefangen nehmen lassen?“ Hierauf antwortete er: „I wo!“

Wir brachen mit Hurra aus dem Unterstand hervor, worauf sich die Franzosen in Richtung Grandham entfernten.

Die Verfolgung wurde von uns aufgenommen, um ihnen den Weg zu verlegen. Hauptmann Bänfer war etwa einen Schritt vor mir.

Der zuletzt laufende Franzose – ein Offizier – drehte sich plötzlich blitzschnell um und feuerte aus einer Pistole zwei Schuß auf Hptm. Bänfer ab. Im gleichen Augenblick wurde der französische Offizier von dem schußbereiten Ers. Reservist Schab durch die Brust geschossen.

Hauptmann Bänfer bat mich, ihm die Beine abzubinden. Es war mir klar, daß ihm das Rückenmark durchschossen sei.

Wenige Sekunden später war er tot; mit gefalteten Händen lag er da.

Der französische Offizier lag nur etwa zwei Schritte von ihm entfernt und brannte, da die Leuchtmunition in seiner Brusttasche durch den Schuß zur Entzündung gekommen war. Er war ebenfalls tot.